Tunguska. Molchanje.

Konzept und Regie: Zeha Schröder - Filmgestaltung: Jan-Christoph Tonigs - Mit: Frank Dukowski, Rima Herab, Marcell Kaiser, Zeha Schröder und Anke Winterhoff - Licht und Ton: Sascha Kramski - Ort: "Square Depression" (Wilhelm-Klemm-Str.) - Dauer: 85 Minuten - Uraufführung: 17.09.2009
Unter all den ehrgeizigen Stückideen und gewagten Expeditionen, die uns im vergangenen Jahrzehnt von Portugal bis auf die Lofoten geführt haben, nimmt diese einen besonderen Stellenwert ein. Denn das mysteriöse „Tunguska Event“, das im Juni 1908 die sibirische Taiga verwüstete, gilt als größte Explosion der gesamten Menschheitsgeschichte: die 1100-fache(!) Sprengkraft der Hiroshima-Bombe wurde freigesetzt, sämtliche Bäume im Umkreis von 30 Kilometern wie Grashalme umgeknickt. Die Ursache der Detonation ist bis heute ungeklärt, die Theorien schießen ins Kraut – von einem Meteoriteneinschlag über die Kollision der Erde mit einem Schwarzen Loch bis hin zum Absturz eines Raumschiffs.

Exakt 101 Jahre später begibt sich eine Handvoll Theatermacher auf eine abenteuerliche Reise, die nach 6000 Kilometern in fragwürdigen Flugapparaten, stotternden Motorbooten und mückenverseuchten Sümpfen im Nirgendwo endet: vor einer Reihe halbverrotteter Baumstämme, einer verfallenden Blockhütte im Wald und einer markanten Senke im Boden. "Hier ist es", vermelden die sibirischen Trapper, mit denen wir seit Tagen durch knietiefen Morast wandern. Aber was? Die allerletzten schwindenden Spuren eines gewaltigen Knalls? Oder vielmehr die allererste Ahnung davon, was Generationen von Geologen und Esoterikern an diesen unwirtlichen Ort gezogen hat?

Die Inszenierung verzichtet auf schlichte Erklärungen, sondern hält sich an Wittgensteins Diktum: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Buchstäblich. Denn geredet wird im nächsten F+G-Stück kaum. (molchanje = Schweigen, russ.) Eine Gruppe skurriler Gestalten macht sich auf die wortlose, sprachlose Suche nach einem Mysterium, das ihre eigene Existenz übersteigt und zur Chiffre wird für eine diffuse Sehnsucht. Nach Erkenntnis, nach Begegnung, nach Sinn. Nach Wasauchimmer.

Neben den dokumentarischen Filmen und Fotografien, die das Ensemble von seiner Reise mitgebracht hat, sind es vor allem überraschende Erlebnisse und erstaunliche Zusammentreffen - mit Viktor dem Betrunkenen, dem halbwüchsigen Tunguska-Experten "Professor Slawa" u.a. -, die den Abend prägen. Sowie die handverlesene Darstellerriege: F+G-Frontmann Marcell Kaiser wird flankiert von Rima Herab (die schon in „Morbus Inês“ das Publikum verzauberte) und unserem langjährigen Weggefährten Frank Dukowski. Der dreiköpfigen Reisegruppe stehen zur Seite, in kleineren Rollen, Regisseur Zeha Schröder sowie F+G-Neuzugang Anke Winterhoff. Für die richtigen Bilder und Klänge sorgen Jan-Christoph Tonigs, der für die Filme verantwortlich zeichnet, und unser Soundmagier Sascha Kramski.

Besonderes Highlight der Produktion ist der spektakuläre Spielort, Bruce Naumans berühmte "Square Depression", nach einhelliger Meinung das stärkste Kunstwerk der Skulptur.Projekte von 2007: nach dem Willen seines Schöpfers eine "negative Bühne" und, ebenso wie das Einschlagsfeld im sibirischen Nirgendwo, eine markante Senke im Boden...