ausgesetzt.

Text + Regie: Zeha Schröder - Dramaturgie + PR: Karin Kirchhoff - Ton: LauterStudio.de - Mit: Petra Bogdahn, Frank Dukowski, Marcell Kaiser, Vera Molitor - Filme: Zeha Schröder - Ort: Pumpenhaus Münster; Waldlichtung Boniburg - Dauer: ca. 70 Min. - Uraufführung: 16.11.2001
ausgesetzt. war die bislang radikalste Umsetzung des F+G-Konzepts von der gegenseitigen Durchdringung von Realität und Fiktion: Vier Wochen lang recherchierte das Ensemble nördlich des Polarkreises in der Wildnis Lapplands für ein Stück über die Grenzen der Zivilisation, gewissermaßen "am eigenen Leibe".

Ausgangspunkt: drei authentische Fälle von Verschollenen - Joseph Beuys, der nach einem Flugzeugabsturz (angeblich) von Nomaden gerettet wird; das Wolfskind Victor, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Frankreich aufgegriffen wird; und eine junge Münsteranerin, die im Sommer 2000 für einen kurzen, ewigen Tag in den finnischen Wäldern verloren geht. Verändern diese Grenzerfahrungen den Blick auf das eigene Leben? Wie gestaltet sich unser Verhältnis zur "wilden" Natur? Und: gibt es noch Berührungspunkte zwischen Kunst und Kult? Das waren Fragen, um die es den sieben Expeditionsteilnehmern ging.

Nach einer Vorbereitungsphase im Samimuseum Ájtte (Jokkmokk) brach das Team auf, um am eigenen Leibe zu erfahren, was es heißt, sich mehr oder weniger ungeschützt einer Lebens- und Überlebenssituation in wilder Natur auszusetzen. Ein Element des Stückes bilden Video- und Tondokumente des Lagerlebens und Clips über Legenden und Mythen der Sami. Dieses Material wurde auf die beschriebenen Fälle "projiziert". Zentrales Thema: die Erfahrung des Verlorengehens/-seins in der Wildnis; die skeptische Reflexion des eigenen Zivilisiert-(worden-)Seins; die Verwendung intensiver Naturerfahrung als kreatives Material. (Mehr zu dieser Expedition: siehe -> "gamajávri")

Indes ist die künstlerische Umsetzung des Stoffes eher technisch-futuristisch als archaisch-naturhaft. Denn während die optische Wahrnehmung des Publikums unmittelbar ist, erlebt es die akustische Ebene des Stückes nur medial gebrochen: Die Stimmen der Schauspieler, zumeist leise bis flüsternd, werden von einem Sounddesigner mit Mikroporten aufgefangen, bearbeitet und mit zusätzlichen Klangebenen (Musik, O-Töne der Videos u.ä.) überlagert. Diese Komposition hören die Zuschauer über Funkkopfhörer - nach Aussage vieler Gäste ein intensives Erlebnis von Isolation und Abgeschiedenheit, das dem Thema des Stückes entspricht und den Besucher zum virtuellen Teilhaber der Erfahrung macht, was es bedeuten mag, ausgesetzt zu sein...

Das Stück, das in zwei Fassungen zunächst im Pumpenhaus und später auf einer Waldlichtung bei Münster gezeigt wurde, bildete zwischen virus und Dead End den zweiten Teil des Dokumentarprojekts "Trilog M" von Zeha Schröder.