Leyden

Text: J.v.Leyden u.a. - Regie: Zeha Schröder - Mit: Marcell Kaiser und Zeha Schröder (ursprüngl: D. Aumayr) - Ort: Tiefgarage Domplatz (Eingang Geisbergweg) - Dauer: 75 min. - Uraufführung: 10.09.2008
"Bin Johann, to Leyden geboren un upgefuddert..." Mit diesen Worten beginnt Jan van Leyden, entmachteter König von Münster, seinen Lebensbericht. Der Mann, dem von seinen Anklägern vorgeworfen wird, er habe „den Aufruhr gelehrt“, erzählt mit ungebrochenem Stolz von den Zuständen im belagerten Münster, von Vielehe, Hungersnot und Gotteserscheinungen. Ohne zu beschönigen, bekennt er seine eigenen „Verblindungen“, schildert eigenhändige Hinrichtungen und rauschende Feste – und hält an seinem angenommenen Glauben fest.

Die historischen Protokolle der Aussagen von Jan van Leyden sowie seinen Mithäftlingen Bernd Knipperdolling und Bernd Krechting sind ein so spannendes wie zwiespältiges Zeitdokument. F+G haben die verschiedenen Mitschriften der insgesamt sieben Verhöre miteinander verglichen, neu montiert und in Dialogform gebracht. Entstanden ist ein komplexes Psychogramm des obersten Wiedertäufers, das den originalen Wortlaut der fast 500 Jahre alten Zeugenaussagen auf die Bühne bringt.

Verkörpert wird der gefolterte „Prophet“ von Marcell Kaiser, der Jan van Leydens Sprache so selbstverständlich im Munde führt, als sei er damit groß geworden. Aber nicht nur sprachlich ist „König Johann“ eine Paraderolle für den Schauspieler. Denn Jan van Leyden ist ein zerrissener Charakter: mal stilisiert er sich zum friedlichen Propheten, dann wieder bekennt er sich zu einem fast apokalyptischen Selbstverständnis: „Wannt Gott die Welt strafen wollde, so sollden wohl wir diejene gewest sin, durch die sulchs vollenbracht würd“, versichert er seinem Befrager. Und so endet die Wiedertäuferherrschaft in Tod und Hoffnungslosigkeit, in den Geschichtsbüchern wie auf der Bühne.

Dass diese „Bühne“ in keinem Theater zu finden ist, versteht sich bei F+G von selbst. Im Epizentrum der historischen Ereignisse, zwischen Dom, Rathaus und Leydens Wohnsitz beim heutigen Borromäum liegt die Tiefgarage des Regierungspräsidenten. Dieser öffentlich nicht zugängliche Ort scheint wie geschaffen, einen Delinquenten in Ruhe zu befragen. Und so vermischt sich in Zeha Schröders Inszenierung historisches Material mit moderner Atmosphäre. Daumenschrauben und Streckbänke kommen nicht zum Einsatz, die Drohung liegt stattdessen subtil in der Luft, zeigt sich in Freiheitsentzug und Waschbeton. Und wer dabei an Bilder von Un-Orten wie Guantánamo denkt, liegt sicherlich nicht falsch.