Das dritte Auge der Westfalen

Text: Dr. Bernd Thier (historischer Vortrag), Zeha Schröder (Dramatisierung der Quellen) - Darsteller: Gabriele Brüning, Konrad Haller und Anke Winterhoff - Regie: Zeha Schröder - Ort: Stadtmuseum Münster, Salzstr. 28 - Dauer: ca. 75 Minuten - Uraufführung: 19.06.2016
Als wir im Herbst 2013 die Inszenierung „Mord auf dem Domplatz“ in unser Repertoire aufgenommen haben, waren wir selber unsicher, ob dieser unkonventionelle Genremix aus historischem Vortrag und szenischen Rückblenden ein Publikum finden würde. Aber nach fast drei Jahren vor ständig ausverkauften Reihen und mit sehr positiver Resonanz („…packend inszeniert mit Dramatik und Wortwitz“, WN) stellt sich die Frage nicht mehr. Das hat uns auf die Idee gebracht, auch für die Annäherung an ein übersinnliches Phänomen wissenschaftliche Verstärkung bei Stadthistoriker Dr. Bernd Thier zu suchen…

Ausgangspunkt des Stückes ist der Umstand, dass den Bewohnern des Münsterlandes jahrhundertelang der Ruf vorauseilte, besonders empfänglich für übernatürliche Phänomene zu sein. Das konnten Vorahnungen und „Gesichter“ sein, religiöse Visionen wie im Falle der Coesfelder Nonne Anna Katharina Emmerick – oder gar angebliche Hexereien und Teufelsbünde. In den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist insbesondere der Spökenkieker, der (meist unfreiwillig) kommende Ereignisse und Unglücksfälle weit vor ihrem tatsächlichen Eintreffen „sah“. Einem der berühmtesten dieser „Spukgucker“, dem Lüdinghauser Caspar Winkelset, wurde posthum gar ein Denkmal errichtet.

Natürlich handelt es sich beim „Dritten Auge“ nicht um eine esoterische Veranstaltung für okkult-abstruse Theoriebildung. Als historisches Phänomen allerdings ist der westfälische Hang zu „transzendentalen Erlebnissen“ dutzendfach belegt – egal, wie viel oder wenig Wahres nun dran sein mag.

Sich die überlieferten Geschichten und Legenden, von Anekdoten aus dem Hause Droste-Hülshoff bis zu eidesstattlichen Aussagen aus dem frühen 20. Jahrhundert, einmal genauer anzusehen, sie in szenischen Rückblenden lebendig werden zu lassen und zugleich von einer historisch-wissenschaftlichen Warte aus kritisch zu reflektieren, dürfte ein Unterfangen sein, das (je nach Standpunkt) amüsant oder spannend, in jedem Fall aber unterhaltsam ist.